Wissenschaftliche Grundlagen der Physiotherapie sind Anatomie, Biologie, Biochemie, Empathie, Pathologie, Pädagogik, Physiologie, Psychologie, Soziologie und Trainingslehre.
Die Physiotherapie orientiert sich bei der Behandlung an den Beschwerden und den Funktions-, Bewegungs- bzw. Aktivitätseinschränkungen des Patienten, die bei der physiotherapeutischen Untersuchung festgestellt werden. Die Spezifizierung der Therapieziele richtet sich nach der Machbarkeit innerhalb der verfügbaren Therapiezeit. Physiotherapie hat weitere Wirkmöglichkeiten unter Einbezug von Reiztherapie zur Förderung und/oder Dämpfung von physiologischen Reaktionen. Sie kann mittels Trainingsaufbau, Entspannung und Regenerationssteuerung positiv zu Gunsten des Betroffenen wirken. Im kognitiven Bereich wird Bewegungsplanung, Koordination, Bewegungskontrolle und Reflexion durch Physiotherapie positiv unterstützt.
Schmerzhemmung, -linderung und –coaching sind weitere physiotherapeutische Optionen. Neben „Hands off“ beinhaltet die Physiotherapie auch verschiedenste manuelle Interventionen („Hands on“), die sowohl strukturell wie funktionell, fokussiert oder global, aktiv und/oder reaktiv zum Einsatz kommen.
Â
Auch der eigenverantwortlichen Umgang mit dem Körper zur Vermeidung von Überlastungsschäden, statisch wie dynamisch, wird dem Betroffenen vermittelt. Hierzu gehört das Verständnis für physiologische Veränderungen im Zusammenhang mit dem natürlichen Alterungsprozess.
Das Ziel ist die Wiederherstellung, Erhaltung oder Förderung und Befähigung zur Teilhabe durch Gesundheit und damit verbunden häufig die Schmerzfreiheit bzw. -reduktion.
Selbstzahler
Selbstzahler sind Patienten mit einer Verordnung eines Heilkundeberechtigten (Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker)
Selbstzahler sind im Allgemeinen Privatversicherte. Aber auch gesetzlich Versicherte können freiwillig, zB. bei Mangelversorgung durch Budgetierung, als Selbstzahler die individualisierte und optimierte Versorgung in Anspruch nehmen.
Hier ergeben sich Möglichkeiten unabhängig vom / außerhalb des Heilmittelkatalogs in Absprache mit Heilkundeberechtigtem und dem Therapeut selber festzulegen
- die Maßnahmen
- die Anzahl der Behandlungen
Siehe auch PHYSIO D!RECT
Individualisierte Heilmittelkombinationen
Gesetzlich Versicherte – Rezept
Gemäß Heilmittelkatalog (HMK) verordnet der Kassenarzt ein vorrangiges Heilmittel abhängig von Ihrer Diagnose und kann dieses durch ein weiteres ergänzen. Der HMK – Heilmittelkatalog – ist die Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung. Er dient der Rationalisierung, Budgetierung und Standardisierung einer regelfallgebundenen Versorgung.
1. Vorrangige Heilmittel
Bewegungstherapie
Heilmittelkatalog
Die einzelnen Maßnahmen der Bewegungstherapie bauen auf der Kenntnis der normalen und krankhaft veränderten Funktionen der Bewegungsorgane, der Bewegungslehre sowie auf Ãœbungs- und Trainingsprinzipien auf. Dabei dient der gezielte, dosierte, methodisch planmäßige Einsatz dieser Maßnahme der Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der Leistungen der Stütz- und Bewegungsorgane, des Nervensystems und der dabei beteiligten Funktionen des Herz-/Kreislaufsystems, der Atmung und des Stoffwechsels. Soweit krankheitsbedingt möglich, soll das Erlernen von Eigenübungsprogrammen im Vordergrund stehen.Â
Die Bewegungstherapie umfassen die nachstehend beschriebenen therapeutischen Verfahren:
Heilmittelkatalog
Krankengymnastische Behandlungstechniken dienen zB. der Behandlung von Fehlentwicklungen, Erkrankungen, Verletzungen, Verletzungsfolgen und Funktionsstörungen der Haltungs- und Bewegungsorgane sowie innerer Organen und des Nervensystems mit mobilisierenden und stabilisierenden Übungen und Techniken. Sie dienen der Kontrakturvermeidung und –lösung, der Tonusregulierung, der Funktionsverbesserung bei krankhaften Muskelinsuffizienzen und –dysbalancen sowie der Beeinflussung der Atmungsmechanik und der Atemregulation (Atemtherapie).
Dabei werden ggf. auch z.B. Gymnastikbänder und –bälle, Therapiekreisel und Schlingentische eingesetzt. Die allgemeine Krankengymnastik kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.
Bewegen – Halten – Dehnen – Lagern – Atmen – Gangschulung – Aktiv – Passiv
Gezielte, allgemeine und spezielle Bewegungsbehandlung zur Wiederherstellung geschädigter Gewebsstrukturen am Haltungs- und Bewegungsapparat, sowie Kräftigung und Lockerung.
Heilmittelkatalog
Als Einzeltherapie zur Behandlung reversibler Funktionseinschränkungen der Gelenke ihrer muskulären, reflektorischen Fixierung durch gezielte (impulslose) Mobilisation oder durch Anwendung von Weichteiltechniken.
Heilmittelkatalog
Sie dient der Behandlung krankhafter Muskelinsuffizienz, -dysbalance und -verkürzung sowie motorischer Paresen mittels spezieller medizinischer Trainingsgeräte, vor allem bei chronischen Erkrankungen der Wirbelsäule sowie bei posttraumatischen oder postoperativen Eingriffen mit
- Sequenztrainingsgeräten für die oberen und unteren Extremitäten und den Rumpf
und /oder
- Hebel- und Seilzugapparate (auxotone Trainingsgeräte) für die Rumpf- und Extremitätenmuskulatur
Sie wird grundsätzlich als parallele Einzelbehandlung mit maximal 3 Patienten verordnet. Unabdingbar ist die Anleitung, Aufsicht und Kontrolle unmittelbar durch den behandelnden Therapeuten.
Heilmittelkatalog
Zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres, zur Förderung und Erleichterung des Bewegungsablaufs durch Einsatz komplexer Bewegungsmuster, Bahnung von Innervation und Bewegungsabläufen und Förderung oder Hemmung von Reflexen unter Einsatz der Techniken nach Bobath, Vojta oder PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Faszilitation). Die Behandlung wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.
Bobath-Konzept
- Speziell für Patienten mit Verletzungen und/oder Mangelversorgung der motorischen/sensorischen Hirnrinde, zB. Hemiplegie
- Erfassung der verbliebenen Leistungsfähigkeit und Partizipationstauglichkeit
- Restbefähigung zur Teilnahme/Teilhabe am selbstbestimmten Alltagsleben
- Behandlung gründet auf der Hemmung abnormaler Reflexaktivitäten und Wiedererlernen normaler Bewegungen und Funktionen
PNF
- Bahnung von Bewegungen über die neuromuskuläre Funktionseinheit
- Bahnung über verschiedene Reize (Summation der Stimuli)
- Ziele sind die Koordinierung physiologischer Bewegungsabläufe, Abbau pathologischer (abnorme) Bewegungsmuster, Normalisierung der Muskelfunktion über Tonus (Spannung), Kraft und Ausdauer und myofasziale Elastizität.
Heilmittelkatalog
KG Atemtherapie als Bewegungs- und Verhaltensschulung, insbesondere zu Verbesserung der Atemfunktion und zur Sekretlösung. Ausschließlich als Einzeltherapie.
- Pneumoniefreiheit
- Beweglichkeit des Brustkorbes
- Verbesserung der Vitalkapazität
- Lösung und Förderung des Sekrets, Wiederherstellung der normalen Spannung in Haut, Bindegewebe und Muskulatur des Rumpfes
- Erleichterung der Atemarbeit
- Verbesserung der Entspannungsfähigkeit
Medizinische Massagetherapie
Heilmittelkatalog
Die Massagetherapie ist eine in Ruhelage des Patienten durchgeführte Maßnahme, die aktive körperliche Reaktionen bewirkt. Die Massagetherapie setzt bestimmte manuelle Grifftechniken ein, die in planvoll kombinierter Abfolge je nach Gewebebefund über mechanische Reizwirkung direkt Haut, Unterhaut, Sehnen und Bindegewebe einschließlich deren Nerven, Lymph- und Blutgefäße beeinflussen. Indirekt wird eine therapeutische Beeinflussung innerer Organe über cutisviscerale Reflexe erreicht.
Diese Therapieform orientiert sich an der durch Befund/Diagnose erstellten Pathologie. Sie ist keine Wellnessbehandlung.
Heilmittelkatalog
Als überwiegend muskuläre Massageform einzelner oder mehrerer Körperteile zur Erzielung einer entstauenden, tonisierenden, detonisierenden, schmerzlindernden und hyperämisierenden Wirkung.
Heilmittelkatalog
MLD der Extremitäten, des Kopfes und/oder des Rumpfes einschließlich der ggf. erforderlichen Kompressionsbandagierung (Lymphologischer Kompressionsverband) zur entstauenden Behandlung bei Ödemen verschiedener Ursachen. Gegebenenfalls erforderliche Kompressionsbinden sind gesondert als Verbandmittel zu verordnen, sofern keine Hilfsmittel zur Kompressionstherapie vorhanden sind. In Anlehnung an den unterschiedlichen indikationsbezogenen Zeitbedarf sind verordnungsfähig:
MLD 30 – 45 – 60 Minuten
Wird nur von zertifizierten Lymphtherapeuten (aufwendige Zusatzausbildung) ausgeführt. Der Arzt gibt die optionale Therapiezeit vor. Diese beinhaltet Vor- und Nachbehandlung, die therapeutische Intervention einschließlich der notwendigen Ruhe. Fördert den Abtransport von Gewebsflüssigkeit durch schonende Gewebsverformungen vorwiegend an der Körperoberfläche. Orientiert sich entlang dem Verlauf der Lymphgefäße in Abflussrichtung
- Verbesserung der Lymphtransportkapazität
- Entstauung von Körperregionen
- Schmerzreduktion
- Verbesserung der Eigenmotorik der glatten Muskulatur der Lymphgefäße
- Neubildung von Lymphgefäßen an Unterbrechungsstellen (Narben)
Heilmittelkatalog
Diese Massagetechniken – BGM, SM, PM, CM – wirken über nervös reflektorische Wege zur Beeinflussung innerer Organe und peripherer Durchblutungsstörungen über segmentale Regulationsmechanismen.
2. Ergänzende Heilmittel
Thermotherapie Sowohl Wärme- als auch Kälteanwendungen wirken je nach Indikation schmerzlindernd, beeinflussen den Muskeltonus und wirken reflektorisch auch auf innere Organe. Kälteanwendung wirkt zusätzlich entzündungshemmend.
Heilmittelkatalog
Heilmittelkatalog
Wärmetherapie mittels Heißluft als strahlende und geleitete Wärme zur Muskeldetonisierung und Schmerzlinderung
- Wärmetherapie mittels heißer Rolle zur lokalen Hyperämisierung mit spasmolytischer, sedierender, schmerzlindernder und reflektorischer Wirkung auf innere Organe
- Wärmetherapie mittels Ultraschall zur Verbesserung der Durchblutung und des Stoffwechsels und zur Erwärmung tiefergelegener Gewebsschichten
- Wärmetherapie mittels Warmpackungen mit Peloiden … zur Applikation intensiver Wärme
Die Wärme- und Kälteapplikation kann mit Ausnahme der Ultraschallwärmetherapie nur als therapeutisch erforderliche Ergänzung in Kombination mit Krankengymnastik, Manueller Therapie oder Massagetherapie verordnet werden, es sei denn, im HMK ist indikationsbezogen etwas anderes bestimmt.
- Schmerzlinderung
- Verbesserung der Durchblutung
- Senkung der Muskelspannung
- Allgemeine Entspannung
- Harmonisierung der Trophik
- Reflektorische Wirkung auf innere Organe, die vom gleichen Segment versorgt werden
- Aktivierung des (intakten) Lymphgefäßsystems
- Normalisierung der vegetativen Regulation
Heilmittelkatalog
Die Traktionsbehandlung besteht in der Anwendung eines gezielten mechanischen apparativen Zuges zur Entlastung komprimierter Nervenwurzeln und Gelenkstrukturen (an Wirbelsäule, Becken, Knie- und Hüftgelenk). Die Traktionsbehandlung wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.
Elektrotherapie/-stimulation
Heilmittelkatalog
Die Maßnahmen der Elektrotherapie wendet nieder- und mittelfrequente Stromformen an zur Schmerzlinderung, Durchblutungsverbesserung, Tonisierung und Detonisierung der Muskulatur. Besondere Stromformen haben entzündungshemmende und resorptionsfördernde Wirkung und vermögen darüber hinaus Muskeln zu kräftigen und gezielt zur Kontraktion zu bringen.
Unter Verwendung konstanter galvanischer Ströme oder unter Verwendung von Stromimpulsen ( z.B. diadynamische Ströme, mittelfrequente Wechselströme, Interferenzströme)
- Schmerzlinderung
- Durchblutungsverbesserung
- Tonisierung der Muskulatur
- Detonisierung der Muskulatur
Verwendung von Gleichstrom zur
- Durchblutungsförderung
- Schmerzdämpfung
Heilmittelkatalog
Unter Verwendung von Reizströmen mit definierten Einzelimpulsen nach Bestimmung von Reizparametern (nur zur Behandlung von Lähmungen bei prognostisch reversibler Nervenschädigung
- Entzündungshemmung
- Resorptionsförderung
- Muskelkräftigung
- Lähmungsbehandlung, gezielte Förderung der Muskelkontraktion
3. Standardisierte Heilmittelkombinationen
Heilmittelkatalog
Die „standardisierten Heilmittelkombinationen“ aus …genannten einzelnen Maßnahmen könne nach Maßgabe des HMK nur dann verordnet werden, wenn komplexe Schädigungsbilder vorliegen und die therapeutisch erforderliche Kombination von drei oder mehr Maßnahmen in einem direkten zeitlichen und örtlichen Zusammenhang erfolgt und der Patient aus medizinishce Sicht geeignet ist.
Soweit vom Arzt die Verordnung nicht näher spezifiziert wird, kann der Therapeut über die bei der jeweiligen Behandlung einzusetzenden Maßnahmen entscheiden. Dabei muss der Therapeut alle in der „standardisierten Heilmittelkombination“ genannten Maßnahmen zur Verfügung stellen können.